Risikomanagement für die Fabrik der Zukunft
Zehn Jahre nach der Etablierung des Begriffs „Industrie 4.0“ für Digitalisierung und Vernetzung der industriellen Wertschöpfung sind viele Potenziale dieser Idee noch nicht erschlossen, weil Risiken oft nicht systematisch gemanagt werden. Das ist das Fazit einer aktuellen Studie am Lehrstuhl für Produktionssysteme und Automatisierung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, die mit Unterstützung der Funk Stiftung entstanden ist. Sie bietet kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Orientierungshilfe, um ein Risikomanagement entwickeln zu können, welches an die Risiken von Industrie 4.0, wie beispielsweise Cyberkriminalität, Störungen in der IT-Infrastruktur oder Qualifikation der Mitarbeitenden, angepasst ist.
Die Arbeitsgruppe am Lehrstuhl hat in mehr als 50 Expertengesprächen ergründet, welchen Risiken sich Unternehmen heute gegenübersehen und wie sie ihnen begegnen, wenn sie den Schritt wagen zur smarten Fabrik, in der sich Fertigungsanlagen und Logistiksysteme ohne menschliche Eingriffe weitgehend selbst organisieren. Ergänzt wird die Auswertung der Interviews durch eine Analyse von 359 Anwendungsfällen, die der „Plattform Industrie 4.0“ der deutschen Bundesregierung im März 2019 entnommen wurden.
Für die Analyse der verschiedenen Anwendungsfälle haben die Forschenden zwölf Kerntechnologien betrachtet, die heute das Umfeld der Industrie 4.0 prägen. Die Autorinnen und Autoren schlüsseln für diese zwölf Technologien jeweils die fünf häufigsten betrieblichen und technischen Risiken auf und legen dar, wie diese heute abgeschwächt werden können. Dabei beleuchtet die Studie nicht nur Risiken im operativen Betrieb, sondern setzt sich auch mit den Risiken bei der Einführung der verschiedenen Technologien auseinander. Darauf, wie sich der Faktor Mensch auf den Erfolg von Industrie-4.0-Projekten auswirkt, liegt ein besonderer Fokus der Studie.
Potenziale risikofrei nutzen
„Die Vision der selbststeuernden, adaptiven Fabrik zieht Unternehmen in ihren Bann, da die vierte industrielle Revolution eine nicht unerhebliche Effizienzsteigerung verspricht. Doch smarte Wertschöpfung braucht smartes Risikomanagement. Die Industrie 4.0 wird ihre Potenziale voll entfalten können, sobald wir die mit neuen Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologien einhergehenden Risiken systematisch betrachten“, betont Prof. Dr. Julia Arlinghaus, Studienleiterin und Inhaberin des Lehrstuhls Produktionssystem und -automatisierung.
„Im Kontext Digitalisierung haben zwischenzeitlich viele mittelständische Unternehmen die Phase des Ausprobierens hinter sich gelassen“, ist sich Hendrik F. Löffler, Vorstandsvorsitzender der Funk Stiftung, sicher. „Aus digitalen Einzelprojekten werden digitale Unternehmen, digitale Lieferketten und digitale Ökosysteme. Dieser Netzwerkeffekt wird weitere Potenziale freisetzen. Damit diese Potenziale schnell realisiert werden können, braucht es ein neues Risikomanagement. Wir freuen uns, dass die Funk Stiftung den Lesern durch diese Studie einen leichten Einstieg in das Thema Risikomanagement in der Fabrik der Zukunft geben kann.“
Über die Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Produktionssysteme und Automatisierung
Der Lehrstuhl sucht nach Lösungen für das Management komplexer, dynamischer und vernetzter Produktions- und Logistikprozesse. Digitalisierung und Automatisierung im Sinne der Vision der Industrie 4.0 stehen dabei ebenso im Fokus wie Nachhaltigkeit, Resilienz und Mensch-Zentrierung im Sinne der Vision der Industrie 5.0. Aus der Kombination von Grundlagenforschung und angewandte Forschung entsteht so eine inspirierende Atmosphäre für individuelle Lehre und akademische Beratung. Die Mission des Lehrstuhls ist es, Unternehmen bei der Digitalisierung und Automatisierung der Produktions-, Planungs- und Steuerungsprozesse sowie ihrer Geschäftsmodelle zu unterstützen. Dies ist eine interdisziplinäre Herausforderung. Dafür arbeiten die Forschenden an der Schnittstelle von Management, Ingenieurwissenschaften, Produktion, Logistik, und Informatik und kooperieren eng mit Wissenschaftlern und Praktikern aus einer Vielzahl von Industrien und Forschungsrichtungen, u.a. Informatik, Mathematik, Psychologie und Biologie.
Über die Funk Stiftung
Funk-Gesellschafter Dr. Leberecht Funk gründete 2014 gemeinsam mit seiner Ehefrau Maritta die gemeinnützige Funk Stiftung. Stiftungszweck ist die Förderung von Forschungs-, Bildungs- und Praxisprojekten rund um die Themenwelt des Risiko- und Versicherungsmanagements. Neben gezielter Projektförderung soll die Stiftung auch Preise vergeben und Fachveranstaltungen durchführen. Ein weiteres Förderungsfeld sind kulturelle Projekte.