Die Machtverhältnisse der Geschlechter

23.02.2022 -  

An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wurde mit der Politik- und Literaturwissenschaftlerin Dr. Tina Jung eine herausragende junge Wissenschaftlerin auf die „Marianne-Schminder-Gastprofessur für Geschlechterforschung“ berufen. Die auf zwei Jahre angelegte Professur fördert Wissenschaftlerinnen, die sich neben ihrem eigentlichen Forschungsschwerpunkt der Genderforschung widmen.

Dr. Tina Jung wendet sich in ihren Forschungen dem Geschlechterverhältnis als gesellschaftliches Struktur- und Machtprinzip zu, betrachtet in ihrer Habilitation, die sie in Magdeburg beenden möchte, vor allem die Selbstbestimmung der Frau in Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft. Ihre Forschung zur Politik der Reproduktion ist sehr gegenwartsorientiert und analysiert Macht- und Ungleichverhältnisse im nationalen wie im internationalen Kontext. Dabei hat sie aber immer auch die geschichtliche Entwicklung im Blick. „Ich war sofort begeistert von der Ausschreibung der Gastprofessur, die sehr offen gehalten wurde, in der sozialwissenschaftliche Aspekte genauso möglich waren wie ein starker Fokus auf Praxiskooperationen“, erinnert sich Dr. Tina Jung. Sie könne sich da beispielsweise den Ausbau der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät oder mit Hebammen im Rahmen ihrer aktuellen Forschungen zur Politik der Geburt gut vorstellen.

Tina Jung hat an der Philipps-Universität Marburg Politikwissenschaft sowie Neuere deutsche Literatur und Medienwissenschaft studiert. Den Schwerpunkt Geschlechterforschung legte sie bereits während ihres Studiums und der folgenden wissenschaftlichen Mitarbeit im Netzwerk feministische Arbeitsforschung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Marburg. Als Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung arbeitete sie im interdisziplinären Promotionskolleg „Geschlechterverhältnisse im Spannungsfeld von Arbeit, Organisation und Demokratie“. 2016 wurde ihr der Grad der Doktorin der Philosophie im Fachgebiet Politikwissenschaft verliehen. Bis zu ihrem Wechsel an die Universität Magdeburg war Prof. Dr. Tina Jung wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Gießen und hat dort mehrere Forschungsprojekte geleitet.

Ihre Gastprofessur an der Fakultät für Humanwissenschaften möchte die Wissenschaftlerin nutzen, sich interdisziplinär zu vernetzen, sich in die Universität und Region einzubringen und ihre Forschung weiter voranzutreiben. „Das hat bereits begonnen. Ich beteilige mich auf freundliche Einladungen mit Vorträgen in den interdisziplinären Ringvorlesungen der Universität zu den Themen Gender Studies‚ ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Tabu‘. Auf der kürzlich veranstalteten Tagung zu Geschlecht und Gewalt hier an der Universität war ich als Moderatorin sowie als Referentin aktiv. Auch freue ich mich darauf, gemeinsam mit Bianca Lange von der Fakultät für Humanwissenschaften eine Meet-the-Expert-Session bei dem diesjährigen Jubiläumsformat des Magdeburger Methodenworkshops anbieten zu können“, erzählt Prof. Dr. Tina Jung. Sie wird ihre Erfahrungen in die „Ladies Night for Women in Engineering Sciences“, eine Uni-Veranstaltung zur Förderung von Karrierewegen des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses, an junge Forscherinnen weitergeben. „Die Arbeit, die am Magdeburger GenderCampus und bei FEMPOWER Sachsen-Anhalt für Geschlechterforschung und Gleichstellung gemacht wird, ist wichtig und bereichernd“, so die Gastprofessorin, „da gibt es spannende Möglichkeiten der Zusammenarbeit."

Im Austausch mit der Gesellschaft

Zudem ist sie Mitglied der Rektoratskommission Chancengleichheit und Diversität sowie der Arbeitsgruppe Antidiskriminierung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Im kommenden Sommersemester, in dem Prof. Tina Jung zwei Veranstaltungen im Bachelor-Studiengang Sozialwissenschaften anbietet, gründet sie an der Schminder-Gastprofessur zudem einen Lesekreis zum Thema „Gender Studies und feministische Bewegungen“, um die inhaltliche Vernetzung über alle Fachbereiche hinweg zu Geschlechterthemen zu stärken.

Mit ihrer Arbeit möchte sie nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ansprechen, umreißt die Gastprofessorin ihre Ziele. „Ich möchte einen Dialog auf einer möglichst breiten Basis etablieren, dazu gehören auch Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis wie Beratungsstellen, Politik und Projekte aus Magdeburg und die interessierte Öffentlichkeit.“ Erfahrungen dazu konnte sie in einem von ihr aufgebautem Wissenschaftspraxis-Projekt mit Erzählcafés zur Arbeit rund um die Geburt sammeln, in dem neben Wissenschaft auch Hebammen- und Ärzteschaft, Beratungsstellen und junge Familien vertreten waren. Das Projekt wurde 2018 zum Wissenschaftsjahr „Arbeitswelten der Zukunft“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgezeichnet. Aktuell hat sie unter Federführung des Arbeitskreises Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft eine wissenschaftsbasierte, praxisorientierte Fortbildungseinheit zum Thema Gewalt in der Geburtshilfe erarbeitet, die als Videodokumentation online abrufbar ist.

Über die Marianne-Schminder-Gastprofessur

Die Gastprofessur ist benannt nach Marianne Schminder, die ab 1961 Professorin für Nichtmetallische Werkstoffe in den Ingenieurwissenschaften der Technischen Hochschule Magdeburg, einer Vorgängerinstitution der Otto-von Guericke-Universität Magdeburg, war. Sie promovierte 1961 als „erster Doktorand“ am Institut für Werkstoffkunde und -prüfung. Nach der Habilitation 1967 folgte zwei Jahre später ihre Berufung. Als Seiteneinsteigerin besaß sie mehrere Patente und erwarb sich Achtung durch ihr Engagement in der Lehre sowie im Frauenausschuss der Technischen Hochschule Magdeburg. „Mit der ‚Marianne-Schminder-Professur‘ haben wir neben der ‚Dorothea-Erxleben-Professur‘ die zweite Möglichkeit geschaffen, um gezielt Frauen in der Wissenschaft zu fördern“, so der Rektor, Prof. Dr.–Ing. Jens Strackeljan.

 

Bilder zum Download:

Bild 1// Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg // Bildunterschrift: Marianne-Schminder-Gastprofessorin Dr. Tina Jung

Letzte Änderung: 30.11.2022 - Ansprechpartner: Katharina Vorwerk