Was macht Schulen erfolgreich?
Die im bundesweiten Vergleich hohe Quote von Schulabbrüchen in Sachsen-Anhalt könnte durch frühzeitige Interventionsprogramme gegen Schulschwänzer und einen größeren Praxisanteil im Unterricht verringert werden. Das sind wesentliche Ergebnisse einer soeben abgeschlossenen Studie aus der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, die vom Ministerium für Bildung des Landes beauftragt wurde. Das Team um die Bildungsforscher Prof. Raphaela Porsch, Prof. Robert Jahn und Dr. Melanie Baumgarten befragten dazu zwischen 2020 und 2021 Schulleitungen von 73 Sekundar- und Gemeinschaftsschulen des Landes, mehr als 600 Lehrkräfte, 3.200 Schülerinnen und Schüler aus 190 9. Klassen sowie deren Eltern. Im Fokus der Wissenschaftler stand die Frage, ob bestimmte Merkmale des Unterrichts oder der Schulen eine Erklärung für die große Zahl an Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss bieten können.
Erste Auswertungen der Studie "Schulische und unterrichtliche Determinanten von Schulerfolg und Schulabbruch an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen in Sachsen-Anhalt“ (SEASA) zeigen darüber hinaus, dass nicht etwa der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund oder sonderpädagogischem Förderbedarf die hohen sogenannten Dropoutquoten erklären. Als Risikofaktoren für einen hohen Anteil an Schulabgängerinnen und –abgängern ohne Hauptschulabschluss konnten, neben einem bildungsfernen Elternhaus, unter anderem eine geringe Bereitschaft der Lehrkräfte für Fortbildungen oder Kooperationen ausgemacht werden. Darüber hinaus wurden eine eher schwache Einbeziehung der Eltern, ein erhöhtes Aufkommen von Aggression und Vandalismus unter den Schülern und tendenziell verringerte Leistungsanforderungen identifiziert.
Die Analysen zeigen auch, dass erfolgreiche Schulen, d. h. Schulen, die die Mehrzahl ihrer Schülerinnen und Schüler zum Schulabschluss führen, seltener vom sogenannten Schulabsentismus, also dem „Schwänzen“ betroffen sind, so Studienleiterin Prof. Raphaela Porsch vom Lehrstuhl Erziehungswissenschaft. „Um dem Schwänzen vorzubeugen, sind von uns Unterstützungssysteme entwickelt worden“, so die Bildungsforscherin weiter. „Multiprofessionelle Teams könnten durch eine individuelle Betreuung von Schülerinnen und Schülern mit Risikomerkmalen für Schulabsentismus und Schulabbruch entgegenwirken.“ Darüber hinaus wurde deutlich, dass die frühzeitige und zielgerichtete Verbindung von Schule und Berufswelt sowie ein mehr praxisorientierter Unterricht wichtige Bausteine zur Vermeidung von Schulabbruch und Absentismus seien, ergänzt der Wirtschaftsdidaktiker Prof. Dr. Robert Jahn. „Dadurch werden Anreize für einen erfolgreichen Schulabschluss geschaffen.“ Aus dem Europäischen Sozialfond geförderte Projekte wie „Produktives Lernen in Schule und Betrieb“ hätten sich als sehr erfolgreich erwiesen, Schulabbrüche zu vermeiden, so Jahn weiter. „Es gibt deutliche Hinweise, dass es Jugendlichen mit dieser besonderen, praktisch ausgerichteten Unterrichtsform gelingt, trotz ungünstiger Ausgangslagen einen Schulabschluss zu erlangen. Daher sollte das Programm vom Land fortgeführt werden.“
Die bisherigen Ergebnisse der umfassenden Studie haben Prof. Porsch und ihr Team Mitte November bereits persönlich der Bildungsministerin, Frau Eva Feußner, vorgestellt und eine Reihe von Handlungsempfehlungen formuliert. Dazu gehören u.a. die Professionalisierung im Bereich Elternarbeit von Lehrkräften an betroffenen Schulen, die flächendeckende Ausstattung der Schulen mit Schulsozialarbeiterinnen und Schulpsychologen, die Stärkung von Praxis im Unterricht als motivationsfördernde Maßnahme zum Erreichen eines Schulabschlusses sowie die Entlastung von Verwaltungsaufgaben, damit Lehrkräfte sich auf unterrichtsbezogene Aufgaben konzentrieren können. „Wir sind gespannt, was davon umgesetzt wird“, so Bildungsforscherin Porsch, „und beteiligen uns natürlich gerne an weiteren Schulentwicklungsprozessen zu diesem Thema im Land.“
Die Zusammenarbeit zwischen der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und dem Ministerium für Bildung Sachsen-Anhalt soll fortgeführt werden. In einem Anschlussprojekt wird in den kommenden Monaten das EU-finanzierte Projekt „Produktives Lernen in Schule und Betrieb“ evaluiert und die Folgen der Corona-Pandemie auf erfolgreiche Schulabschlüsse untersucht.
Zu den Personen
Frau Prof. Dr. Raphaela Porsch ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Allgemeine Didaktik am Institut Bildung Beruf und Medien/Bereich Erziehungswissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Schul- und Unterrichtsforschung, Allgemeine Didaktik, Lehrerbildung, Professionsforschung und Fremdsprachenforschung. Viel Beachtung fand ihre Studie über die Folgen von Homeschooling für Grundschüler 2020.
Herr Prof. Dr. Robert Jahn ist Professor für Wirtschaftsdidaktik und Didaktik der ökonomischen Bildung und Sprecher des Instituts Bildung Beruf und Medien der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er forscht zu wirtschaftsberuflichen Unterricht und ökonomischer Bildung, zu Professionalität von Lehrpersonen, zu Berufs- und Studienorientierung sowie zu Übergängen zwischen allgemeinbildenden Schulen, beruflicher Bildung und der Arbeitswelt.