Maschinen lernen Gedanken lesen
Der Informatiker Prof. Dr. Sebastian Stober wurde mit dem Wintersemester 2018/19 auf den Lehrstuhl Künstliche Intelligenz der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg berufen und wird am 6. Februar 2019 seine Antrittsvorlesung an der Fakultät für Informatik halten. Der Fokus seiner Arbeit in Forschung und Lehre liegt darauf, eine Brücke zwischen der menschlichen und der künstlichen bzw. maschinellen Intelligenz zu schlagen. Ziel sei es, so der Informatiker, künstliche neuronale Netze zu entwickeln, die unsere Gehirnsignale verstehen und übersetzen.
Künstliche neuronale Netze sind analog biologischer Nervensysteme in der Lage, von Beispielen zu lernen, um irgendwann selbstständig komplexe Probleme zu lösen. Bestehen die Netze in unserem Gehirn aus Millionen von über chemische und elektrische Signale miteinander kommunizierenden Nervenzellen, seien künstliche neuronale Netze als Computerprogramme zu verstehen, so Prof. Stober. „Durch ihre starke Lernfähigkeit und Flexibilität haben sich tiefe künstliche neuronale Netze unter dem Begriff ‚Deep Learning‘ in den letzten Jahren als beliebte Wahl zur Entwicklung intelligenter Systeme etabliert. Ich sehe an der Magdeburger Fakultät für Informatik große Potenziale und Kompetenzen, an die ich in meiner Forschung und Lehre anknüpfen kann“, so der Wissenschaftler. Darüber hinaus füge sich die wissenschaftliche Arbeit des Informatikers in das neurowissenschaftliche Forschungsprofil der Universität.
Wie eine Party im Kopf
„Der Einsatz von Deep Learning zur Analyse von Gehirnsignalen hat ein enormes Potenzial. Die Technologie steckt aber noch in den Kinderschuhen. Hier leisten wir wichtige Grundlagenforschung.“ Im Gegensatz zu anderen Anwendungsfeldern wie bspw. der Bildanalyse, wo Deep Learning sich bereits als Standard etabliert hat, ist es in den Neurowissenschaften schwer, an die zum Lernen benötigten Datenmengen zu kommen. Hinzu kommt, dass die relevanten Signale üblicherweise nur einen sehr geringen Teil der gesamten Gehirnaktivität ausmachen und für die Analyse zunächst von diesem „Hintergrundrauschen“ getrennt werden müssen. „Das ist wie auf einer Party, auf der viele Menschen gleichzeitig sprechen und man sich auf den einzelnen Gesprächspartner konzentrieren muss. Erschwerend kommt hinzu, dass die Feier quasi in einem anderen Zimmer stattfindet, denn unsere Schädeldecke wirkt wie eine Wand, durch die die gewünschten Signale erst hindurchdringen müssen.“
In seiner Forschung verwendet Prof. Stober vorwiegend Aufnahmen von Probanden, die Musik hören oder sich Musikstücke vorstellen. „Musik ist als Stimulus äußerst vielschichtig und spricht die unterschiedlichsten Gehirnareale an. Daher eignet sie sich sehr gut, die Arbeitsweise des Gehirns zu erforschen. Wir hatten beispielsweise schon erste Erfolge, Beats und Tempo zu erkennen. In aktuellen Experimenten versuchen wir, Informationen über die Klangfarbe mittels Deep Learning zu rekonstruieren. Was wir hier methodisch lernen, lässt sich potenziell auch auf andere Fragestellungen übertragen.“ Perspektivisch könnten Erkenntnisse über ausgesendete Gehirnsignale zum Beispiel bei der Kommunikation mit Wachkomapatienten helfen.
Vita Prof. Sebastian Stober
Prof. Dr. Sebastian Stober forscht auf dem Gebiet des Maschinellen Lernens, insbesondere des Deep Learning, was eine Klasse von Optimierungsmethoden künstlicher neuronaler Netze bezeichnet. Er studierte und promovierte an der Fakultät für Informatik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und wurde unter anderem als Bester Absolvent sowie 2012 für die Beste Dissertation ausgezeichnet. Er war Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes und erhielt Auszeichnungen vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst DAAD. Nach seiner Arbeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter war Stober von 2013 bis 2015 als PostDoc am Brain and Mind Institute der University of Western Ontario, Kanada, tätig, danach leitete er an der Universität Potsdam die Nachwuchsforschergruppe Machine Learning in Cognitive Science. Prof. Dr. Sebastian Stober ist Gründungsmitglied im eLeMeNTe e. V., dem Landesverein Sachsen-Anhalt zur Förderung mathematisch, naturwissenschaftlich und technisch interessierter und talentierter Schülerinnen, Schüler und Studierender, sowie bei der International Society for Music Information Retrieval und im Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience e. V.
Bilder zum Download:
Bild 1 // Quelle: Jana Dünnhaupt / Universität Magdeburg // Bildunterschrift: Portrait Prof. Dr. Sebastian Stober