Expedition ins Nordpolarmeer
Die Mathematikerin Dr. Carolin Mehlmann von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wird, gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Thomas Richter, an einer zweimonatigen Expedition ins Nordpolarmeer teilnehmen. Innerhalb dieser Zeit wird sie ihr numerisches Modell überprüfen, das die präzise Bewegung und Größe von Meereis am Nordpol verlässlicher simulieren und vorhersagen soll. Am 2. August 2023 werden die Forschenden im norwegischen Tromsø auf das Forschungsschiff „Polarstern“ vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) steigen und ihre Forschungsarbeit an Bord beginnen. Insgesamt werden sich rund 40 Forschende unterschiedlicher Disziplinen auf dem Schiff aufhalten, um Daten zur Veränderung der zentralen Arktis im Klimawandel zu erheben.
Mit dem neuen Meereismodell von Dr. Mehlmann soll es künftig möglich sein, die Größe und Dicke einzelner Eisschollen und deren Bewegungsrichtung detaillierter zu analysieren und damit eine präzisere Vorhersage über deren Verhalten zu treffen. „Ich beschäftige mich damit, wie das Eis treibt und was passiert, wenn Kräfte auf einzelne Schollen wirken, beispielsweise wenn Wind bläst. Diesen Zusammenhang möchte ich in einer Gleichung abbilden“, erklärt die Mathematikerin. „Wichtig ist, dass mein theoretisches Modell dann genau das abbildet, was ich auch während der Expedition sehe. Ich habe also die Möglichkeit, direkt vor Ort das Modell zu kalibrieren und es abzugleichen, eine ganz besondere Chance.“
Während der Expedition machen die Forschenden dafür Aufnahmen von Eisschollen. Mit einem Programm auf dem Computer extrahieren sie anschließend die Charakteristiken der Schollen, beispielsweise die Form oder die Geschwindigkeit. „Außerdem möchten wir die Dicke der Eisschollen dokumentieren und auch die Kräfte, die auf sie wirken, also beispielsweise den Wind.“ Am Ende soll analysiert werden, inwiefern das bestehende Modell wirklich das wiedergeben kann, was während der Expedition praktisch beobachtet werden kann, um es gegebenenfalls stetig anzupassen.
Bisherige Klimamodelle könnten nur beschreiben, wie sich Eisschollen im Mittel verhalten. Hierfür würden statistische Durchschnittswerte über eine große Anzahl von Schollen verwendet, so die Mathematikerin. „Durch den Klimawandel ist das Eis an den Polen viel loser. Deswegen ist die Annahme, eine hinreichend große Anzahl von Eisschollen vorzufinden, nicht mehr überall gegeben. In den Gebieten, in denen man nicht mehr genug Eisschollen vorfindet, ist daher die Gleichung, die die gemittelte Schollenbewegung abbildet, nicht mehr richtig.“ Die Wissenschaftlerin erweiterte diese bisherigen Modelle und setzte bei ihrem Modell Partikel ein, die sich bewegen und miteinander interagieren. „Diese Partikel stehen für kleine Eisschollen. Ich modelliere also nicht mehr, wie sich alles im Großen und Ganzen im Mittel verhält, sondern wirklich die einzelnen Schollen.“
Anfang Oktober wird das Forschungsschiff „Polarstern“ mit Dr. Mehlmann und Prof. Richter schließlich in seinen Heimathafen in Bremerhaven zurückkehren. Im Anschluss an die Expedition organisieren die beiden Forschenden, beginnend im November 2023, für Schülerinnen und Schüler ein Themenjahr zur Mathematik und dem Klimawandel, um die Forschung erlebbar zu machen. Erste Informationen finden Sie online.
Das Forschungsvorhaben „Ein hybrides Meereismodell zur Messung des Einflusses der Kopplung von Meereis-Ozean-Atmosphäre auf der Skala von Meereisschollen auf die antarktische Meereisverteilung“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG mit 300.000 Euro für drei Jahre gefördert.