Professoren und Perspektiven
Andreas Knabe ist seit 20 Jahren an der OVGU. An einem warmen Tag im Spätsommer 1998 ist er zum ersten Mal als Student über den Campus der Uni Magdeburg gelaufen. „Ein Gefühl der Freiheit hat mich erfasst, wie ich es selten gespürt habe“, erinnert sich Knabe, „zu wissen, dass einem niemand vorschreibt, wie man seinen Tag zu verbringen hat, sondern dass man sich in vollkommener Freiheit in das Abenteuer Studium stürzen kann, hat mir unglaublich gutgetan.“ Es war sein schönstes Erlebnis auf dem Campus, sagt er. Freiheit und Partys in der Baracke zwei Dinge, die sich hartnäckig auf dem Campus halten.
Der sonnige Tag 1998 war auch deshalb so ein einschneidendes Erlebnis, weil Andreas Knabe noch bis zum Freitag vor Studienbeginn seinen Wehrdienst hatte leisten müssen. Von der Kaserne wechselte er direkt ins Wohnheim 7 und hat sich seitdem kaum mehr von der Uni Magdeburg getrennt. Als Student saß er häufig in den hinteren Reihen des Hörsaals, weil er zu spät in die Vorlesung kam. Heute sitzt er in einem Büro im Gebäude 22 mit Blick auf das Grün des Nordparks. Ein Privileg? „Das größte Privileg genießen sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden, nämlich die wissenschaftliche Freiheit“, findet Prof. Knabe. „Wo sonst hat man es in Ausbildung und Arbeitsleben so gut, dass man sich seine Zeit frei einteilen kann, dass man seinen Arbeitsgegenstand frei wählen kann und dass man nur dem Lernen und der Erkenntnis verpflichtet ist?“ Trotzdem beneidet er die Studierenden von heute um eine Sache: „Man darf jetzt im Nordpark grillen! Wir wurden früher immer von der Polizei vertrieben.“
Manche Dinge ändern sich nie
‚Vor zwanzig Jahren‘ klingt abstrakt: Im September 1998 gründeten Larry Page und Sergej Brin zum Beispiel die Google Inc. kurz bevor Knabe an seinem ersten Tag über den Campus schlenderte. Sein Mensa-Essen bezahlte er die ersten Jahre noch in D-Mark. Außerdem die Getränke auf den legendären Mensa-Partys. „Früher wie heute verbringe ich meine Zeit tagsüber im Fakultätsgebäude“, erklärt der Professor. Als Student ging er abends dann dahin, wo „irgendwie was zum Tanzen“ war: Baracke, Projekt 7 das heutige Campus-Theater und Mensa-Partys. „Stühle raus, Tische raus und dann gab es Bars. Es wurde getanzt und dann und wann gab es Live-Musik. ‚Wir sind Helden‘ sind in ihrer Anfangszeit hier aufgetreten“, erinnert sich Knabe.
2016 erhielt Prof. Dr. Andreas Knabe den Otto-von-Guericke-Lehrpreis für herausragendes Engagement in der universitären Lehre. Vielleicht auch, weil er nicht die Perspektive gewechselt hat. Egal ob Studierende nach der Vorlesung im Wohnheim den Stoff durchsprechen, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Tagungen die jüngsten Erkenntnisse austauschen oder ob sich Lehrende und Studierende gegenseitig mit Fragen herausfordern: Dinge zu diskutieren macht Knabe besonders Spaß und hilft ihm, Neues zu erkennen. „Ich forsche, weil ich Dinge besser verstehen will, aber ich verstehe sie besser, wenn ich sie mit anderen diskutieren kann.“
Deshalb freut er sich, wenn Studierende auf ihn zukommen. Vor zwanzig Jahren war er da vielleicht ein bisschen zurückhaltend. „Man meint: Die Professoren kann man vielleicht nicht belästigen“, sagt er, „aber ich freue mich, wenn Studierende die Bereitschaft, die Offenheit und auch das bisschen Mut - mitbringen, mit den Lehrenden in Kontakt zu treten.“
Er kennt das Studentenleben auf dem Campus der Uni Magdeburg, aber „der Perspektivwechsel ist vielleicht gar nicht so riesig“, überlegt er, „weil es mir immer als Student wie jetzt darum ging, Dinge besser zu verstehen. Und gemeinsam mit anderen ein besseres Verständnis für das Fach zu entwickeln.“ Und, der Professorentitel hält ihn nicht davon ab, der Baracke einen Besuch abzustatten. Das letzte Mal war er zu Silvester vor drei Jahren mit seiner Frau da, nachdem sie die Kinder spontan den Großeltern hatten bringen können. „Die Baracke ist eine echte Institution. Meine Eltern haben auch schon hier studiert und, die waren auch schon da.“
Julia Heundorf