Was muss Wissenschaft leisten?
An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg werden sich ab sofort Nachwuchsforscherinnen und -forscher intensiv damit beschäftigen, welche Potenziale, welche Verantwortung und welche Möglichkeiten Forschung und Wissenschaft haben, die Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme mitzugestalten.
Im Rahmen eines neu eingerichteten Graduiertenkollegs gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem den Fragen nach, welche gesellschaftliche Aufgabe der Wissenschaft im 21. Jahrhundert zukommt und wie Informationsbedürfnisse der Gesellschaft auf der einen Seite mit der Freiheit der Forschung auf der anderen Seite zu vereinbaren sind. Im Rahmen von Promotionen werden die Forscherinnen und Forscher verschiedener Fachdisziplinen unter anderem analysieren, welche Instrumente und Strategien des Wissenschaftsmanagements bzw. der Wissenschaftskommunikation dazu führen, dass Forschungsvorhaben und wissenschaftliche Methoden eine hohe Akzeptanz in der breiten Gesellschaft finden und die Produktion neuen Wissens gestärkt werden kann.
Unter der Leitung von Hochschullehrerinnen und -lehrern wollen die Nachwuchswissenschaftler aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen in den nächsten vier Jahren Bedarfe für eine funktionierende Wissenschaftskommunikation analysieren und Strategien entwickeln, den zielgerichteten Dialog zwischen Wissenschaftlern und den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft umzusetzen.
An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer und dem Institut für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die das Kolleg gemeinsam durchführen, werden dafür Stellen für drei Postdocs und 10 Doktorandinnen und Doktoranden geschaffen.
3,4 Millionen Euro vom BMBF
„Die Gesellschaft fordert zunehmend Mitspracherechte, wenn es darum geht, Forschungsergebnisse für die Lösung relevanter und drängender Probleme einzusetzen oder auch bei der Entscheidung, was überhaupt Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sein sollte“, so der Sprecher des Graduiertenkollegs, Prof. Philipp Pohlenz von der Universität Magdeburg. „Um eine Legitimation für Forschungsvorhaben zu schaffen, die ja auch von der Gesellschaft finanziert werden, muss sich die Wissenschaft mit den aktuellen Anforderungen an sie auseinandersetzen. Denn, möglicherweise, sind bisher etablierte Instrumente des Wissenschaftsmanagements und der Wissenschaftskommunikation, zu sehr auf die innerwissenschaftliche Kommunikation ausgerichtet, und es muss über neue Organisations- und Kommunikationsformen zwischen den Forschenden und den Bürgerinnen und Bürgern nachgedacht werden“, ergänzt Prof. Michael Hölscher von der Universität Speyer, der als Mitglied des Sprecherteams an dem Projekt beteiligt ist.
Das Graduiertenkolleg „Wissenschaftsmanagement und Wissenschaftskommunikation als forschungsbasierte Praktiken der Wissenschaftssystementwicklung“ wird von Ende 2019 bis 2023 mit insgesamt 3,4 Mio. Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF gefördert.
Hintergrund des Forschungsgegenstandes sei nicht zuletzt ein Grundsatzpapier des Bundes, das vor wenigen Wochen die wachsende Verantwortung der Wissenschaft in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels durch Digitalisierung, demografischen Wandel oder Globalisierung betonte, so Pohlenz weiter, der den Lehrstuhl Hochschulforschung und Professionalisierung der akademischen Lehre in Magdeburg innehat. „In dem Papier heißt es, die Aufgabe der Wissenschaft sei es, Lösungen für drängende gesellschaftliche Fragen zu suchen, aber ihre Aufgabe sei es auch, den Dialog zu suchen, Debatten zu versachlichen und über Herausforderungen und Chancen wissenschaftlicher Entwicklungen aufzuklären. Wir wollen also konkret untersuchen, wie ein sinnvoller Austausch zwischen Disziplinen und Wissenschaftlern untereinander organisiert sein muss, aber auch zeigen, mit welchen Mitteln Kommunikation von Herausforderungen und Themen der Wissenschaft in die Gesellschaft hinein funktionieren kann“, so Pohlenz.
Insbesondere gehe es auch um die Frage, wie die Wissenschaft auf Forderungen der Gesellschaft nach Transparenz und Relevanz von Forschungsergebnissen reagieren sollte. In diesem Zusammenhang spielten Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsmanagement eine wesentliche Rolle und stellen zugleich wichtige Untersuchungsfelder im Graduiertenkolleg dar.
„Es geht darum, Wege zu finden, wie Managerinnen und Manager herangehen, wenn sie versuchen, Institutionen, die sich durch eine hohe Freiheit und einen hohen Freiheitsdrang ihrer Mitglieder auszeichnen, zu steuern“, so Prof. Pasternack vom Institut für Hochschulforschung an der Universität Halle-Wittenberg und ebenfalls Mitglied des Sprecherteams des Kollegs. „Wie gelingt es, Erfahrungen aus der Managementpraxis mit theoretischem Wissen über das, was Hochschulen ausmacht, zu verbinden und die Gräben zwischen Management und „autonomieliebender Wissenschaftskultur“ zu überwinden?“