Ossi versus Wessi: Noch immer ein Thema?
An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg steht vom 21. bis zum 23. März 2023 eine intensive Auseinandersetzung mit den Folgen verfestigter Ost-West-Konflikte im Zentrum einer fachübergreifenden Tagung. Unter dem Titel „Ost-West-Konflikte. Interdisziplinäre Perspektiven auf den Diskurs über Deutschland und die Welt“ stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Sozialwissenschaften, vor allen Dingen aber aus der linguistischen Gesellschaftsforschung ihre aktuellen Befunde vor. So soll ein Überblick gelingen, wie Ostdeutsche und Westdeutsche im öffentlichen Diskurs beschrieben werden, und wie die Art, Differenzen zwischen Ost und West – national und global – zu konstruieren oder auch zu leugnen, ihren Beitrag zur viel beschworenen „Mauer in den Köpfen“ leistet. Dazu gehört nicht zuletzt auch die Frage, inwiefern es bestimmte Narrative der „alten“ Bundesrepublik sind, die noch heute bestimmen, was als „ostdeutsch" gilt.
WAS: | Tagung Ost-West-Konflikte. Interdisziplinäre Perspektiven auf den Diskurs über Deutschland und die Welt an der Universität Magdeburg |
WANN: | 21. bis 23. März 2023 |
WO: | Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Zschokkestraße 32, Gebäude 40B, Raum 140 |
Ist der Osten rechtsradikal?
„Anfang der 1990er-Jahre hatten sich die meisten von uns erhofft, dass der Unterschied zwischen ‚Ost‘ und ‚West‘ sowohl innerdeutsch als auch global bald schon irrelevant ist“, erzählt Tagungsleiter Prof. Kersten Sven Roth von der Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung der Uni Magdeburg. „Tatsächlich beobachten wir das Gegenteil: Ost-West-Konflikte begegnen uns ständig. Westdeutsche zeigen zum Beispiel in Umfragen eine andere Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine als Ostdeutsche. Eine ‚dritte Generation Ostdeutscher‘ sucht nach ihrer ostdeutschen Identität.“ Vor allem würde der Osten noch immer als Abweichung, als etwas Defizitäres, Belastendes charakterisiert, so Prof. Roth weiter. Was dieses Konzept „Ost versus West“ so hartnäckig macht und vor allem, wie es sprachlich konstruiert wird, darum soll es bei der Tagung gehen.
Denn die vermeintlichen Unterschiede zwischen Ost und Westen seien nicht zufällig immer noch allgegenwärtig in unserem politischen Denken und Sprechen, so Roth. Vor allem in der Berichterstattung der Medien zeige sich eine deutliche Differenz zwischen Ost und West. Bestimmte gesellschaftliche Phänomene, wie etwa Rechtspopulismus im Kontext mit der AfD, Flüchtlingshass, die Querdenker-Bewegung, würden nicht als bundesdeutsche, sondern primär als ostdeutsche Probleme wahrgenommen und diskutiert. Das Thema Ost und West sei also noch immer politisch und medial allgegenwärtig. „In der germanistischen Politiksprachforschung gibt es aber seit einiger Zeit eine Ost-West-Blindheit“, erklärt Prof. Kersten Sven Roth. „Die sprachlichen Verhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland waren in den Zeiten der staatlichen Teilung seit 1949 einer der bedeutendsten Forschungsgegenstände, die Ereignisse der Jahre 1989/90 sorgten noch einmal für eine Welle entsprechender Studien. Danach verschwand das Thema weitgehend von der Agenda des Fachs.“
Mit der Tagung soll die fachliche und gesellschaftliche Diskussion über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West wieder intensiviert werden. „Es spricht viel dafür, dass die systematische wissenschaftliche Aufarbeitung der Ost-West-Geschichte nach 1990 erst jetzt beginnt“, schätzt Roth ein. „Das Denken in Ost und West hat sich in den letzten 30 Jahren einerseits überraschend gut erhalten und zum anderen auch neue Aspekte hinzugewonnen. Wenn diese nicht – auch wissenschaftlich - aufgearbeitet werden, wird die ‚Mauer in den Köpfen‘ nicht zum Einsturz zu bringen sein.“
Die Tagung wird organisiert von der AG „Sprache in der Politik“, gemeinsam mit der Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist bis zum 18. Februar 2023 über das Webseiten-Formular möglich.