Famulatur in Dominikanischer Republik

Die 26-jährige Dessauerin Annelie Voigt hatte während ihres Medizinstudiums in Magdeburg die Dominikanische Republik für ihre Famulatur vom 6. August bis zum 18. September 2015 als Ziel ausgewählt. Dies war bereits ihre 2. Famulatur – die erste hat sie bereits in Deutschland bei einem Hausarzt absolviert. Wir haben Annelie getroffen und ihr einige Fragen zu ihrer Zeit im Ausland gestellt.

Warum fiel die Entscheidung für die Dominikanische Republik?

Die Dominikanische Republik ist kein unbekanntes Land für mich, da ich bereits als kleines Kind mit meinen Eltern als auch später alleine öfter dorthin gereist bin. Dabei habe ich einfach mein Herz an diese Insel verloren - von der Herzlichkeit der Menschen über die chaotische karibische Kultur bis zur Musik – hat mir immer alles so gut gefallen, dass ich meinen praktischen Abschnitt des Studiums dort verbringen wollte.

Wie hast du die Reise und die Stelle organisiert?

Ehrlich gesagt habe ich für die Planung nicht viel Zeit benötigt und habe auch kein Auslandsamt oder eine andere Organisation dafür kontaktiert. Ich habe alles privat geregelt. Dies ging erstaunlicherweise und zu meinem Glück sehr unkompliziert. Ich habe eine dominikanische Freundin per Mail angeschrieben, da ich mich noch erinnern konnte, dass deren Mama Kinderärztin ist. So kam der erste Kontakt zustande und nachdem ich noch meinen Lebenslauf und die Anforderungen der Medizinischen Fakultät hingesendet habe, stand fest, dass ich dort in einer privaten Klinik meine Famulatur absolvieren kann. Den Flug habe ich circa drei Wochen vor Reisebeginn gebucht. Vorher hatte ich dort auch noch andere Krankenhäuser angeschrieben, aber keine Antwort erhalten. Es war von Vorteil, dass ich noch den Kontakt zu einer Freundin dort hatte.

Wie sah ein typischer Arbeitstag dort aus?

In der Dominikanischen Republik gibt es private und öffentliche Krankenhäuser. Ich war in einer privaten Klinik namens „Irmie – Instituto Regional Materno Infantil y Especialidades Medicas“ tätig und die Mutter der Freundin war die Leiterin und dort auch als Kinderärztin tätig. Der Papa hat als Architekt die Klinik geplant und errichtet. Morgens um 8 Uhr ging es zusammen mit der Mutter in die Klinik und am Vormittag habe ich dort immer die Visite begleitet. Anschließend wurden dann die Laborwerte kontrolliert und Verordnungen geschrieben – ganz ähnlich wie hier, aber alles langsamer und entspannt beim Kaffeeplausch. Von 12.30 Uhr bis 14 Uhr hatte man Mittagspause (Siesta) und ist meist nach Hause gefahren. Nachmittags ging es zurück in die Klinik und es folgten Sprechstunden. Dabei bin ich immer bei verschiedenen Ärzten wie Chirurgen, Kardiologen und Gynäkologen rotiert. Zur Orientierung in den verschiedenen Fachrichtungen hatte ich einen Stundenplan, in dem stand, dass ich je eine Woche Pädiatrie, Gynäkologie, Chirurgie und eine Woche Innere absolvieren sollte. Anschließend konnte ich frei wählen, in welchen Bereich ich hereinschauen wollte. Ich bin dann meistens mit in die Chirurgie oder Notfallaufnahme gegangen. Dort wurde man mit zahlreichen Verkehrsunfällen mit Motorrädern, Messerstechereien aber auch Schießereien konfrontiert. Ich habe dann meistens bis 20 Uhr gearbeitet und samstags war ich meist 24 Stunden in der Notaufnahme.

Hat es dich fachlich weitergebracht?

Da ich in Deutschland bisher keine klinischen Erfahrungen hatte, sondern nur Pflegepraktika, habe ich keinen Vergleich. In der Chirurgie durfte ich auch mal nähen und in die OPs reinsehen. In den Sprechstunden habe ich geholfen, aber keine Behandlung komplett alleine durchgeführt. In der Notaufnahme habe ich die Patientenaufnahme oder Überweisung an die richtige Fachabteilung übernommen und allgemeine Untersuchungen wie EKG und Blutdruckmessen. Ich habe aber beispielsweise kein Blut abgenommen oder Infusionen gelegt, denn das war dort die alleinige Befugnis der Schwestern.

Hast du Tipps für Studierende, die es auch in die Dominikanische Republik zieht?

Für einige, die das Land nur als Urlaubsort kennen und nicht das wahre Leben der Einheimischen, wird es ein Kulturschock sein. Aber ich liebe dieses Land für seine Kultur und Menschen und wenn man sich darauf einlässt, kann man dort die Zeit seines Lebens genießen. Man sollte in der Dominikanischen Republik nicht zu viel im Vorfeld planen und vieles einfach auf sich zukommen lassen. Ich kann jedenfalls sagen, dass mein Herz dort hängen geblieben ist und ich wieder zurückgehen werde, vielleicht irgendwann für immer.

Wo warst du vor Ort untergebracht?

Anfangs habe ich in „El Bani“ bei einer einheimischen Gastfamilie gelebt, eine Stunde westlich von der Hauptstadt Santo Domingo. Da ich die Freundin sehr gut kannte, durfte ich in deren Elternhaus ein Einzelzimmer beziehen. Vom Standard war dieses im landestypischen Vergleich sehr gut ausgestattet und nicht typisch dominikanisch. Die Familie gehörte schon zur gehobenen Einkommensschicht mit mehreren Autos, Angestellten, Security und eigenem Sportplatz. Bevor es in die Klinik ging, hatte ich noch vier Tage zur Eingewöhnung vor Ort.

Wie waren deine ersten Eindrücke vor Ort?

Land und Leute kannte ich bereits, da ich dort bereits acht Mal war und dabei auch viel herumgereist bin. Vieles ist anders als bei uns. Beispielsweise wird man dort in den privaten Kliniken gar nicht behandelt, wenn man kein Geld hat. Das ist sehr an das amerikanische Gesundheitssystem angelehnt. Man hat auch nicht die räumliche Unterteilung nach Stationen für verschiedene Fachabteilungen wie in Deutschland, sondern die Patienten werden wild verteilt und es liegen Patienten der Inneren oder der Onkologie neben Patienten, die gerade entbunden haben. Der Arbeitstag ging auch viel länger, aber doch in einer sehr lockeren Atmosphäre. Pieper gab es gar nicht, sondern unter den Mitarbeitern wurde nur über WhatsApp kommuniziert, auch Befunde versandt, was hier aufgrund des Datenschutzes gar nicht möglich wäre.

Was wird dir von der Zeit dort vor allem in Erinnerung bleiben?

Als sehr positiv empfand ich, dass nicht aus jeder Kleinigkeit ein Problem gemacht wurde und alle Mitarbeiter auch sehr gastfreundlich waren. Manche Eindrücke waren aber auch skurril, wenn zum Beispiel während einer Entbindung im Hintergrund noch Salsamusik lief. Aufgefallen ist mir auch, dass nur Kaiserschnitte gemacht wurden – es konnte mir aber keiner beantworten, warum dies so ist. Weiterhin war es erstaunlich, dass in der Notaufnahme wegen der Kriminellen immer ein Polizist saß. Als erschreckend empfand ich, dass ich zwar viele Mitarbeiter beim Händewaschen gesehen habe, aber kaum eine Desinfektion erfolgte. Dort gab es zwar auch die Spender wie hier, aber diese waren meistens leer. Weiterhin wurden viele OP-Utensilien wie die Beatmungsmaske nicht gewechselt. Man muss aber sagen, dass ich mich daran schnell gewöhnt habe, da man in diesem Land doch von einem anderen Standard ausgeht.

Bist du nach der Famulatur direkt zurück nach Deutschland gereist?

Ich habe im Anschluss noch für ein paar Wochen das Land weiter bereist. Dabei habe ich meistens über Couchsurfing bei verschiedenen Einheimischen oder Freunden übernachtet. Ich habe noch in einem Kinderhilfswerk namens Dominiño gearbeitet und dort unterrichtet. Dort haben sich die Kinder auch sehr über meine mitgebrachten Spenden wie Kleidung, Spielzeug, Süßigkeiten und Stifte gefreut. Diese hatte ich zuvor in Deutschland gesammelt.

Wie sah der Alltag in der Zeit aus, als du das Land noch bereist hast?

Wellblechhäuser, kein Wasser, kein Strom, Schmutz, Straßenkinder – ich wünschte ich müsste das nicht sagen, aber das ist leider die Realität in vielen Teilen dieser wundervollen Insel. Trotz dessen treten einem die Menschen mit so einer Herzlichkeit und Dankbarkeit entgegen, was ich sonst noch nie erlebt habe. Die Menschen teilen und gehen respektvoll miteinander um, wo sich viele Deutsche im Umgang miteinander eine Scheibe abschneiden könnten. Viele haben mich gefragt, warum ich nicht lieber sicher und mit fließend Wasser in einer der All-inclusive-Hotels gegangen bin. Genau deswegen, weil man nirgendwo diese Mentalität so impulsiv zu spüren bekommt als direkt bei den Dominikanern – diese chaotische Ordnung fasziniert einen und steckt an. Aus Deutschland bin ich es gewohnt, alles Tage, ja sogar Wochen vorher zu planen, wird dort alles von einem auf den anderen Tag in den Gang gesetzt und möglich gemacht – auch wenn es manchmal nur eine kurzfristige Lösung ist. Ich habe gelernt, viele Dinge mit mehr Leichtigkeit zu nehmen und keine unnötigen Probleme zu schaffen, wozu unsere Mentalität oft neigt. Außerdem sollte man für alles dankbar sein, was einem das Leben schenkt, auch die einfachen kleinen Dinge im Leben, die uns selbstverständlich erscheinen wie täglich warmes Wasser und Strom. Umstände, die wir als erschreckend wahrnehmen, gehören für viele Menschen in der Dominikanischen Republik zum Alltag. Ich musste lernen, damit umzugehen, während mir bereits Kleinkinder dabei einen großen Schritt voraus waren. Denn es geht nicht darum, unter welchen Umständen ich groß geworden bin, sondern vielmehr darum ob ich dem gewachsen bin.

Fotos: Annelie Voigt

 

Letzte Änderung: 09.07.2020 - Ansprechpartner: Ines Perl