Warum sich ein Mathematikprofessor in der Kommunalpolitik engagiert
Prof. Dr. Alexander Pott wurde im Februar 2021 zum neuen Vorsitzenden des Magdeburger Stadtrates gewählt. Für den Mathematikprofessor bedeutet Komunalpolitik, die großen Themen, die auf Bundes- und Landesebene diskutiert werden, vor Ort umzusetzen. Darüber, warum er sich in der Kommunalpoitik engagiert, dass ihm seine Ratstätigkeit bei der Gremienarbeit an der Universität hilft und warum wir zur Wahl gehen sollten sprach er mit Ines Perl.
Welche Aufgaben haben Sie als Vorsitzender des Stadtrates?
In erster Linie ist das die Sitzungsleitung. Darüber hinaus wird die Tagesordnung der Sitzungen im Einvernehmen mit dem Oberbürgermeister erstellt.
Wie lange engagieren Sie sich schon in der Kommunalpolitik?
Ich war vor etwa 10 Jahren schon einmal Mitglied des Stadtrates. Vor der letzten Kommunalwahl wurde ich gefragt, ob ich mir eine erneute Kandidatur vorstellen kann, und da habe ich zugestimmt.
Warum engagieren Sie sich in der Kommunalpolitik – was gab den Ausschlag für Ihr Engagement?
Kommunalpolitik bedeutet, die großen Themen, die auf Bundes- und Landesebene diskutiert werden, vor Ort umzusetzen. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: In der Bundespolitik wird gerade über den Flächenverbrauch durch Industrieansiedlungen und Wohnungsbau diskutiert. Die Entscheidung, was mit unseren Flächen passiert, trifft aber nicht der Bund oder das Land, sondern das wird vor Ort entschieden. Ein weiteres Beispiel ist die Aufenthaltsqualität in den Städten, die ja auch wichtig für unsere Studierenden ist: Auch da kann die Kommunalpolitik mit klugen Entscheidungen Weichen stellen.
Was macht Magdeburg für Sie aus?
Ich bin selbst ein zugezogener Magdeburger und arbeite an der Universität auch viel mit „Neubürgerinnen und Neubürgern“ zusammen. Mein Eindruck ist, dass sich alle hier, spätestens nach einer kurzen Eingewöhnungsphase, wohl fühlen, weil die Stadt „praktisch“ ist: Es gibt hier gute Schulen, vergleichsweise gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten, ein attraktives Kulturangebot und viele nette und engagierte Menschen.
Was könnte in Magdeburg besser werden?
Schön wäre es, wenn noch mehr junge Menschen in Magdeburg leben würden, wir uns also zu einer echten Schwarmstadt entwicklen, wie man das heute wohl nennt. Die Universität trägt dazu schon bei. Jetzt ist es wichtig, für unseren gut ausgebildeten Nachwuchs, ob Studierende oder betrieblich ausgebildete Fachkräfte, attraktive Arbeitsplätze in Magdeburg und der Region zu schaffen und zu erhalten. Da ist sicherlich noch die berühmte „Luft nach oben“.
Warum lohnt es sich, sich für Magdeburg in der Kommunalpolitik zu engagieren?
Wir alle sind von Entscheidungen der Kommunalpolitik betroffen: Straßen- und Wohnungsbau, ÖPNV, Schulbauten. Um darauf etwas Einfluss nehmen zu können, dafür lohnt sich das Engagement.
Auch Ihr Tag hat nur 24 Stunden – wie bringen Sie ihre Tätigkeit als Professor für Diskrete Mathematik an der OVGU und ihre Ratstätigkeit unter einen Hut?
Nun, auf ein paar zeitintensive Dinge musste ich nach der Wahl in den Stadtrat verzichten. Ich gebe zu, jetzt weniger zu lesen und früher habe ich recht gerne Fußball geschaut, das ist jetzt auch vorbei.
Helfen Ihnen Erfahrungen aus Ihrer Gremientätigkeit an der Uni oder Herangehensweisen in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit bei Ihrer Tätigkeit im Stadtrat bzw. als Ratsvorsitzender?
Ich würde es umgekehrt sehen. Die Ratstätigkeit hilft mir für die Gremienarbeit an der Universität und man bekommt schon ein paar Anregungen. Beispielsweise werden alle Vorlagen, die wir im Stadtrat behandeln, in einer standardisierten Form allen Stadträtinnen und Stadträten zur Verfügung gestellt, aber nicht nur uns, sondern der ganzen Öffentlichkeit. Das ist schon ein sehr transparentes Verfahren. Nun gehen Diskussionen an der OVGU nicht die gesamte Weltöffentlichkeit etwas an, aber vielleicht würde es Teile der Hochschulöffentlichkeit doch mal interessieren, welche Vorlagen und Themen in den Kommissionen besprochen werden. Am Ende des Tages werden sie ja eh veröffentlicht.
Zur Frage Wissenschaft und Politik: Fraglos ist eine vom Verstand geleitete Politik besser, als wenn sich Politikerinnen und Politiker von Emotionen treiben lassen. Aber ich sehe auch einen großen Unterschied zwischen Wissenschaft und Politik. Politische Entscheidungen müssen getroffen werden, obwohl man Randbedingungen nur partiell kennt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen aber gerade das Gegenteil, sie wollen die Randbedingungen kontrollieren, um Experimente reproduzierbar zu machen. Ein Beispiel: Wir wissen nicht, wie sich der Boom bei Elektrorädern entwickelt. Wenn es so weitergeht wie bisher, wird es sehr bald sehr, sehr eng auf unseren Radwegen. Bleiben Elektroräder aber ein vergleichsweise kurzlebiger Hype – was ich persönlich nicht glaube –, sieht die Situation anders aus. Wir wissen es nicht, müssen aber Entscheidungen treffen, wie es beim Radwegebau weitergehen soll. Man kann nicht abwarten.
Sachsen-Anhalt und die Bundesrepublik stehen in diesem Jahr vor Wahlen. Warum sollten wir wählen gehen?
Wir leben in einer (sozialen) Mediengesellschaft, wissen aber eigentlich gar nicht, ob die Medien die Stimmung in der Bevölkerung richtig wiedergeben. Ein Wahlergebnis mit einer hohen Wahlbeteiligung gibt da einen viel besseren Eindruck von der wirklichen Situation im Lande. Und nur bei einer hohen Wahlbeteiligung spiegeln sich diese politischen Stimmungen auch korrekt in den Parlamenten wider. Dafür lohnt es sich, zur Wahl zu gehen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Pott.
Über Prof. Dr. Alexander Pott
Prof. Dr. Alexander Pott ist Vorsitzender des Stadtrates Magdeburg und Finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion sowie Mitglied in den Ausschüssen Finanzen und Grundstücke sowie Rechnungsprüfung und im Vergabeausschuss. Außerdem sitzt er in den Aufsichtsgremien der Gesellschaften Wohnen und Pflegen und der Gesellschaft für Wirtschaftsservice mbH.
Alexander Pott ist seit 1998 Professor für Diskrete Mathematik am Institut für Algebra und Geometrie der Universität Magdeburg. Seine Forschungsinteressen liegen auf den algebraischen Grundlagen von Codierungstheorie und Kryptographie, auf der endlichen Geometrie und den endlichen Körpern. Im vergangenen Herbst wurde er zum Dekan der Fakultät für Mathematik gewählt.