Neues Weiterbildungsangebot für inklusive Erwachsenenbildung
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der Erwachsenenbildung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben an der Universität erste inklusive Weiterbildungsangebote für und mit Menschen mit geistigen Behinderungen etabliert. Das im Sommersemester gestartete Programm Werkstatt-Uni richtet sich sowohl an Erwachsene, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, als auch an das pädagogische Personal, das sie anleitet und im Arbeitsalltag unterstützt. Gleichzeitig entwickeln und erproben Studierende der Universität innerhalb dieses Projekts gemeinsam mit den Männern und Frauen mit geistigen Behinderungen neue Formate und Materialien der inklusiven Erwachsenen- und Weiterbildung. Bildungsforscherinnen und -forscher begleiten das Projekt wissenschaftlich. Das Angebot verzahnt erstmals intensiv alle an inklusiver wissenschaftlicher Weiterbildung interessierten Beteiligten. Dazu gehören die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätten für behinderte Menschen, Bestandspersonal sozialer Einrichtungen, Studierende sowie Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Magdeburg.
Die inhaltlichen Schwerpunkte des Weiterbildungsangebots liegen in den Bereichen Lese- und Schreibfähigkeiten, Rechenkompetenzen sowie in der politischen Bildung. Praktiziert wird u. a. das Konzept des „Lernens am gemeinsamen Gegenstand“, kommuniziert wird in einfacher Sprache. Im Wochenrhythmus werde im Kurs Werkstatt-Uni ein anderes Thema behandelt, so die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Katharina Pongratz vom Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft, Schwerpunkt wissenschaftliche Weiterbildung und Weiterbildungsforschung der Universität Magdeburg, wie zum Beispiel das Thema Magdeburg: „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschäftigen sich dann tätigkeitsorientiert mit ihren Lieblingsorten in Magdeburg und lesen, beziehungsweise schreiben dazu, angeleitet durch die Studierenden beispielsweise einzelne Wörter, um ihre Lese- und Schreibfähigkeiten zu stärken. Jemand, der noch nicht oder kaum Lesen und Schreiben kann, hat aber gleichzeitig die Möglichkeit, einzelne Buchstaben kennenzulernen und ontogenetisch zu erfahren“, erklärt die Bildungswissenschaftlerin.
Die pädagogischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Werkstätten lernen in der selben Lernumgebung, wie sie Elemente der Grundbildung, das sind Fähigkeiten, die eine Teilhabe an der Gesellschaft überhaupt möglich machen, in den Arbeitsalltag der Menschen mit Behinderungen integrieren können, um der Bildungsaufgabe der Werkstätten für behinderte Menschen besser nachkommen zu können. „Bleiben wir bei dem Beispiel Magdeburg, könnten dies Fakten zur Geschichte der Stadt sein, zu Sehenswürdigkeiten, aber vor allem Anleitungen zu Nutzung und Annahme öffentlich zugänglicher kultureller Angebote der Stadt“, so Katharina Pongratz.
„Ich freue mich, dass wir durch das Projekt theoretisches Wissen und lebensnahe Praxis erstmals eng miteinander verschränken“, so der Geschäftsführer des Bereichs Arbeit und Teilhabe der Werkstatt für behinderte Menschen, Andreas Schulz. „Wir haben in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass es doch eine deutliche Distanz gab zwischen der Wissenschaft und der Arbeit vor Ort mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Wir als Werkstatt profitieren in diesem Projekt enorm von den wissenschaftlichen Impulsen und ich bin davon überzeugt, dass der intensive Einblick in die Lebenswelt von Menschen mit Behinderungen für die Studierenden äußerst wertvoll ist.“
Das erste Angebot seiner Art
Geleitet wird das Projekt Werkstatt-Uni von Prof. Dr. Olaf Dörner, Inhaber des Lehrstuhls für Erziehungswissenschaft, Schwerpunkt wissenschaftliche Weiterbildung und Weiterbildungsforschung der Universität Magdeburg: „Die Werkstatt-Uni ist durch den hochgradig inklusiven Fokus ein Novum im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung.“ In der Erwachsenenbildung und der wissenschaftlichen Weiterbildung sei Inklusion zwar ein klassisches Thema in Bezug auf bildungsferne Gruppen, bezogen auf Erwachsene mit geistigen und körperlichen Behinderungen sei Inklusion in Praxis und Forschung aber noch ein Randthema. „Wir betreten also Neuland und bringen unsere Expertise ein, um das erste Angebot seiner Art an der Universität Magdeburg erfolgreich gestalten zu können. Wir wollen herausfinden, wie inklusive Erwachsenen- und Weiterbildung künftig besser gestaltet werden kann“, so der Erziehungswissenschaftler.
Die Werkstatt-Uni findet in Kooperation mit den Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg statt. Weitere Angebote inklusiver Erwachsenenbildung, bei denen Bildungsfachkräfte, also Erwachsene mit geistiger Behinderung, die eine dreijährige hochschulische Qualifizierung durchlaufen haben in bildungswissenschaftlichen Master- und Bachelorstudiengängen lehren, finden in Kooperation mit der Hochschule Magdeburg-Stendal im Projekt inklusive Bildung Sachsen-Anhalt und mit der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt statt.
Ab dem Wintersemester 2022/2023 wird die Werkstatt-Uni mit zwei weiteren Kursen fortgesetzt, ab dem Sommersemester 2023 finden drei Kurse statt. Angebote inklusiver Lehre mit Bildungsfachkräften finden seit dem Sommersemester 2022 statt und werden in den kommenden Semestern ebenfalls fortgesetzt. Interessierte Einrichtungen und Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Angebotsformaten inklusiver Erwachsenenbildung können sich unter melden.
Bilder zum Download:
Bild 1 // Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg // Bildunterschrift: Carla E. (li.), Studierende Bildungswissenschaft, und Sibille K. (re.), Mitarbeiterin der Werkstatt für behinderte Menschen, üben im Rahmen der Werkstatt-Uni gemeinsam das Schreiben.