Bremsen bei Polarbären auf den Schienen
Informatikerinnen und Informatiker der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg entwickeln eine sichere Künstliche Intelligenz, mit der Züge in naher Zukunft autonom fahren können. Das Objekterkennungsmodell, das die Wissenschaftler im Rahmen des Forschungsprojektes „safe.trAIn“ entwickeln, soll künftig Hindernisse auf den Schienen erkennen und selbstständig – wenn erforderlich - die Bremse auslösen.
Das Ziel des Forschungsprojektes ist es, die Grundlagen für den sicheren Einsatz von KI für fahrerlose Schienenfahrzeuge zu schaffen. Beteiligt sind 15 Projektpartner, neben Forschungseinrichtungen wie der Universität Magdeburg auch Technologiezulieferer, sowie Normungs- und Prüfungsorganisationen.
Die Aufgabe der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Uni Magdeburg ist es, eine zuverlässige KI zu entwickeln, die Objekte erkennen kann, die nicht auf die Gleise gehören. „Mit Bildern von Katzen und Hunden bringen wir ihr zum Beispiel bei, diese Tiere zu erkennen. Das heißt aber auch, dass die KI dann ein Bild von, zum Beispiel, einen Polarbären nicht erkennen würde“, erklärt der Projektmitarbeiter Konstantin Kirchheim vom Lehrstuhl Software Engineering der Uni Magdeburg. Das Problem, das die Forscherinnen und Forscher darum lösen müssen, sei es, der KI beizubringen, auch auf ihr unbekannte Objekte korrekt zu reagieren. „Es gibt natürlich keine Beispiele von Polarbären in den Trainingsdaten, dennoch muss der KI beigebracht werden, diese zu erkennen. Polarbären stehen dabei symbolisch für eine ganze Vielzahl von unbekannten Objekten.“
Bisher seien deshalb solche KI-Systeme in der EU und in Deutschland noch gar nicht für den Zugverkehr zugelassen und dürften nicht eingesetzt werden. „Züge sind als sicherheitskritisch eingeschätzt und es muss eine Vielzahl von Zertifizierungen und Regulierungen erfüllt werden. Diese gibt es aber aktuell für KI-Systeme noch gar nicht. Dies ist mit keinem der derzeitigen Zulassungsverfahren möglich“, erklärt Prof. Ortmeier vom Lehrstuhl Software Engineering.
Im Rahmen des Projektes safe.trAIn solle es deshalb nicht nur darum gehen, ein KI-System zu entwickeln, sondern es müsse auch herausgefunden werden, wie nachgewiesen oder zertifiziert werden kann, dass eine KI in der Lage ist, sicher und zuverlässig auch in den unwahrscheinlichsten Szenarien zu reagieren. „Dafür geben wir Erkenntnisse über die KI dann an unsere Projektpartner weiter, die sich damit auseinandersetzen, diese in Normen zusammenzufassen“, so der Informatiker Konstantin Kirchheim.
So werde ein Normenkatalog entstehen, der künftig die Entscheidungsgrundlage dafür liefert, ob KI-Modelle, wenn sie diese besonderen Anforderungen und all diese Normen erfüllen und zertifiziert sind, in Deutschland und später in der EU für autonom fahrende Züge eingesetzt werden dürfen.
„Langfristig wird es mit den Systemen hoffentlich möglich sein, durch eine schnellere Reaktionsgeschwindigkeit die Unfallrate im Zugverkehr zu minimieren und gleichzeitig durch den verstärkten autonomen Schienenverkehr CO2-Emissionen zu reduzieren“, erklärt Kirchheim abschließend.
Das Projekt safe.trAIn läuft vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2024 und wird mit einem Gesamtvolumen von 23 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Weitere Informationen gibt es online.