Mit VR-Brillen den Alltag trainieren

25.01.2024 -  

Ingenieurpädagoginnen und Ingenieurpädagogen der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Bünning an der Professur für Ingenieurpädagogik und Didaktik der technischen Bildung im Rahmen eines Erasmus+ geförderten Forschungsprojektes den Prototypen einer virtuellen Lernumgebung für Kinder und Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) entwickelt. Durch den Einsatz können Betroffene gezielt und im geschützten Raum die soziale Interaktion mit ihrer Umwelt trainieren und ihren Alltag besser meistern.

„Soziale und emotionale Signale sind für Menschen mit ASS oft schwer einzuschätzen und auszusenden, es fällt ihnen meist schwer Mimik und Gestik einzuordnen, oder auch Humor und Ironie oder Sarkasmus zu verstehen“, erklärt Tim Volkmann, Koordinator des Projektes BitTheSpectrum („Augmented and Virtual Reality Technologies to Boost Literary and Social Emotion Skills in Autism Spectrum Disorder Students“).

Gemeinsam haben er und das internationale Projektkonsortium mit Betroffenen eine Lernanwendung entwickelt, mit denen diese über VR-Brillen oder PCs in einer digitalen Welt gezielt alltägliche Situationen üben können, wie zum Beispiel eine Busfahrt. Dabei werden alle Abläufe, vom Ankommen des Busses bis hin zum Einsteigen, Fahrschein kaufen und der Interaktion mit anderen Fahrgästen realitätsnah dargestellt. Die Kinder müssen während der interaktiven Übung Entscheidungen treffen, um die jeweilige Situation zu meistern.

Der Prototyp werde derzeit am finnischen Luovi Vocational College im Lernalltag getestet und weiterentwickelt, so der Pädagoge Tim Volkmann, der mit dem Team bereits an einer weiteren Lernumgebung arbeitet. „Hier legen wir den Fokus auf das Training von zwischenmenschlichen Interaktionen bei betrieblichen Abläufen, wie den Umgang mit Kundenanfragen, der Annahme von Unterstützungsangeboten durch Kollegen oder Ausbildungspersonal, aber auch die Nutzung von Computertechnik und Maschinen.“

Wichtig während des gesamten Schaffungsprozesses der Prototypen sei es, immer wieder Input von den Lernenden zu bekommen, so Volkmann weiter. „Wir haben uns das Ziel gesetzt, nicht nur für, sondern vor allem mit der Zielgruppe diese Lernanwendungen zu entwickeln.“

Studien zeigten, so der Bildungsexperte, dass Methoden der Augmented und Virtual Reality das Üben und Erlernen sozialer Fähigkeiten erleichtert und die selektive Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler verbessere. „Durch die VR-Tools können die Lernenden soziale Interaktionen, wie Begrüßung, Bitten, Bezahlen oder Danken trainieren, wie beispielsweise bei unseren Prototypen mit den Abläufen einer Busfahrt.“ Zusätzlich helfe es den Schülerinnen und Schülern, neue Dinge zu lernen und die Mimik und die Emotionen anderer Kinder besser zu verstehen. „Menschen mit ASS werden häufig von auslösenden Impulsen, sogenannten Triggern, beeinflusst. Das können Geräusche, Gerüche oder auch Objekte sein, die Abläufe und Handlungen teils negativ beeinflussen oder unterbrechen können. Durch VR ist es möglich, diese Trigger entweder ganz zu vermeiden oder sie dosiert im pädagogischen Kontext einzubauen“, so der Wissenschaftler.

Über das Forschungsprojekt BitTheSpectrum

Das internationale Forschungsprojekt „Augmented and Virtual Reality Technologies to Boost Literary and Social Emotion Skills in Autism Spectrum Disorder Students“ ist eine dreijährige europaweite Partnerschaft in der Berufsbildung. Kofinanziert durch das Erasmus+ Programm der Europäischen Union, ist das Ziel, verschiedene Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten von Expertinnen und Experten für neue Technologien sowie der Autismus-Spektrum-Störung zusammenzubringen, um Bildungs- und Betreuungsabläufe für Schülerinnen und Schüler mit ASS zu verbessern. Die entwickelten Prototypen werden nach Ende der Projektlaufzeit der Öffentlichkeit sowie Bildungseinrichtungen zur freien Nutzung zur Verfügung gestellt. Ferner dienen die entstandenen Prototypen als Ideenvorlagen für Lehrpersonal, um nach entsprechenden online-Schulungen eigene Anwendungen zu erstellen.

Das Konsortium des Projekts besteht aus

 

Bild zum Download:

Bild 1 // Foto: Hannah Theile / Universität Magdeburg // Bildunterschrift: Der Projektmitarbeiter Hannes Tegelbeckers probiert mit einer VR-Brille den entwickelten Prototypen aus. Auf der Leinwand im Hintergrund ist zu erkennen, was er sieht.

Letzte Änderung: 15.02.2024 - Ansprechpartner: Katharina Vorwerk