Zeugen der Universitätsgeschichte
Blick hinter die kulturellen Kulissen: An der Uni können Studierende an einem Kustodie-Projekt teilnehmen. Ziel ist es das universitäre Kulturgut ausfindig zu machen, aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Marlene Adam hat nicht nur selbst während ihres Studiums am Kustodie-Projekt teilgenommen, sondern arbeitet auch als wissenschaftliche Hilfskraft für das Projekt und hat so einen Blick hinter die Kulissen. Im Interview erzählt sie, wie Kustodie während einer Pandemie funktioniert, was für Schätze in den Kellern unserer Uni schlummern und worauf wir uns im Sommersemester freuen können.
Marlene, du studierst Cultural Engineering – wie kam es dazu und wie hat es dich nach Magdeburg verschlagen?
Ich habe mich nach der Schule nach einem Studium umgesehen, das den Bereich der Kulturwissenschaften abdeckt. Ich bin dann auf Cultural Engineering aufmerksam geworden und war fasziniert von den vielfältigen Möglichkeiten die sowohl während des Studiums, als auch bei der späteren Berufswahl geboten werden. Außerdem hat mir der internationale Charakter und der Praxisbezug des Studiengangs gefallen, da zum Beispiel ein Auslandssemester, ein Projekt und ein Praktikum vorgesehen sind. Der Studiengang ist einzigartig in Deutschland und wird nur in Magdeburg angeboten.
Erstmal die wichtigste Frage: Was ist eigentlich eine Kustodie?
Als Kustodie wird eine Einrichtung bezeichnet, innerhalb derer die Gesamtheit der universitären Sammlungen zusammenfasst wird. Die Sammlungen und Objekte sind dabei Zeugnisse der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte der Universität und können sowohl in der Forschung, als auch in der Lehre zum Einsatz kommen. Dem Sammlungsspektrum sind dabei keine Grenzen gesetzt und so verfügt die Uni über diverse Sammlungen aus den Bereichen Medizin, Technik, Kunst oder den Naturwissenschaften.
Was ist deine Verbindung zum Kustodie-Projekt?
Ich selbst habe das Kustodie-Projekt als Teilnehmerin im Wintersemester 2018/19 kennengelernt. Im ersten Teilprojekt "Objektbiographien 25 Jahre OVGU" ging es um die Erfassung universitärer Objekte, von denen 25 im Rahmen einer vierwöchigen Ausstellung öffentlich präsentiert wurden. Im darauffolgenden Sommersemester wurden unter dem Motto „Kunst auf dem Campus“ jegliche Kunstobjekte auf den drei Campus der Universität erschlossen und untersucht. Als Inszenierung entschieden wir uns für einen Fotokalender. Im Sommer 2020 ging es dann um die medizintechnische Sammlung. In einem interdisziplinären Projektteam wählten wir interessante Geräte/Objekte aus, zu denen wir recherchierten. Die Ergebnisse sind heute in Form eines Wikis zu sehen.
Und wie lange gibt’s das Kustodie-Projekt eigentlich schon? Warum ist es wichtig für die Uni?
Das Kustodie-Projekt gibt es seit 2018. Trotz der jungen Geschichte der OVGU hat sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Objekten angesammelt, die zum Teil auch noch aus den Vorgängerinstitutionen stammen. Demnach handelt es sich bei den Sammlungen um materielle Überlieferungen, die als Zeitzeugen der Universitätsgeschichte auch eine wertvolle Ressource für die heutige Forschung und Lehre sein können.
Was sind deine Aufgaben als wissenschaftliche Hilfskraft?
Im Rahmen meiner Tätigkeit habe ich sehr viele verschiedene Aufgaben – es wird also nie langweilig. Am Anfang eines Semesters geht es meist darum die Lehre zu unterstützen: In Mini-Workshops stellen externe und interne Expertinnen und Experten ihre Forschungsgebiete zum jeweiligen Schwerpunkt des Teilprojekts vor. Die Workshops unterstütze ich organisatorisch, wodurch ich auch schon viele Kontakte knüpfen konnte. Darüber hinaus arbeiten wir stets daran, die Objekte und Sammlungen der Universität ausfindig zu machen, zu erfassen und bestenfalls auch zu inventarisieren. Zum Beispiel konnten wir eine interessante Kartensammlung vor dem Müll „retten“, die sich nun im Kustodie-Depot befindet. Durch die Inventarisierung können die Karten nun wieder für Forschung und Lehre genutzt werden. In den letzten Wochen arbeitete ich an der offiziellen Kustodie Website.
Letztes Jahr war ja alles etwas anders, wie funktioniert Kustodie mit Pandemie? Was war die größte Schwierigkeit?
Die Pandemie sorgte auch im Kustodie-Projekt für einige Umstellungen. Zum Beispiel mussten die Mini-Workshops und ein Blockseminar aus dem Sommersemester 2020 verschoben werden, da eine Umstellung auf Online-Lehre in der kurzen Zeit nicht möglich war. Außerdem lebt das Kustodie-Projekt davon, dass in Teams an Objekten gearbeitet wird, was aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht ganz leicht war. Die medizintechnischen Objekte befanden sich außerdem auf dem Gelände des Universitätsklinikums, „spontane“ Besuche der Objekte waren demzufolge nicht möglich.
Wie habt ihr es doch irgendwie umgesetzt, dass die Studierenden sich mit den Objekten beschäftigen konnten?
Wir konnten, wenn auch verspätet, in den Keller in dem sich die medizintechnische Sammlung befindet. Dabei mussten wir uns stets an die Terminvereinbarungen halten, sodass sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig in den Räumlichkeiten aufhielten. Glücklicherweise konnten einige (transportable) Objekte ausgeliehen werden, sodass wir auch von zuhause arbeiten konnten.
Jetzt geht das Kustodie-Projekt in eine neue Runde: Worum geht es? Nochmal die Medizinische Sammlung?
Da im Sommersemester 2020 nicht alle Veranstaltungen wie geplant durchgeführt werden konnten, widmet sich das Kustodie-Projekt in diesem Sommer ebenfalls den medizinischen Sammlungen der Universität. Das Blockseminar zum Thema Medical Humanities wird der renommierte Medizinhistoriker und Medizinethiker Prof. Dr. Heinz-Peter Schmiedebach von der Charité Berlin durchführen. Außerdem können in diesem Semester auch die Mini-Workshops stattfinden. Themen wie Medizintechnik, Medizingeschichte, Medizinethik, Genderfragen und Medizin, Kunst und Medizin, Literatur und Medizin sowie medizinische Sammlungen aus unterschiedlichen fachlichen und berufsbezogenen Perspektiven werden hier näher betrachtet.
Was soll diesmal untersucht und angeschaut werden?
Die Universität verfügt über einzigartige Sammlungen im Bereich der Medizin. Im letzten Semester ging es vor allem um die medizintechnische Sammlung. Nun werden auch andere medizinische Sammlungen unter die Lupe genommen, wie zum Beispiel die der anatomischen Karten oder Modelle.
Es gibt eine neue Website: warum eigentlich?
Die Kustodie der Universität ist, im Vergleich zu anderen Einrichtungen, sehr weit vorangeschritten. Die Vielzahl der an der Universität befindlichen, einzigartigen Sammlungen, die begleitenden Lehrveranstaltungen und die bereits durchgeführten Projekte sind einige Beispiele, die den Erfolg der Kustodie begründen. Die Website wurde daher eingerichtet, um das bereits Erreichte öffentlich vorzustellen. Interessierte Personen können sich so über die Sammlungen, Projekte, Forschung und Lehre informieren.
Wer kann alles mitmachen und ab wann geht’s eigentlich los?
Die Kustodie-Veranstaltungen können über den Modulkatalog Schlüsselkompetenzen belegt werden und können Studierenden aller Fachrichtungen für den Wahlpflichtbereich, den Bereich nichttechnischer Wahlpflichtfächer oder den optionalen Bereich in der Regel mit 10 CP anerkannt werden. Ggf. werden die jeweiligen Kurse auch für weitere studienbezogene Module geöffnet.
Warum würdest du Studierenden empfehlen beim Projekt mitzumachen und was hat es dir persönlich gebracht?
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen und, mehr noch, der aktuellen gesellschaftlichen Relevanz der Medical Humanities, fördert das Kustodie-Projekt diverse Schlüsselkompetenzen, darunter Kommunikationsfähigkeiten, Teamarbeit und Zeitmanagement. Akademische Fertigkeiten zum Thema Recherche und dem journalistischen/freien Schreiben werden ebenso vermittelt wie grundlegende Kompetenzen des Projektmanagements. Darüber hinaus kann man über das Projekt viele, auch außeruniversitäre Kontakte knüpfen.