Natürlich oder nachhaltig?
Die BUNDjugend Sachsen-Anhalt veranstaltet dieses Jahr vom 27. Juli bis 4. August ein Nachhaltiges Sommercamp in Barby an der Elbe in der Nähe von Magdeburg, für das man sich noch bis zum 19. Juli 2019 anmelden kann. Dort werden Exkursionen, Workshops, Vorträge, Selbstmachkurse und Spiele rund um das Thema Nachhaltigkeit für Studierende und junge Erwachsene angeboten. Zwei Studenten der Uni Magdeburg, Johannes (22) und Iring (26), leiten dort jeweils einen Workshop. Wie sie dazu gekommen sind und welche Themen sie ansprechen wollen, erzählen die Beiden in einem kurzen Interview.
Stellt euch am besten einmal kurz vor. Wer seid ihr und was studiert ihr?
Johannes: Ich studiere Systemtechnik und technische Kybernetik an der Uni. Ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit am Max-Planck-Institut zum Thema Verarbeitung von Microalgen und nebenbei arbeite ich bei einem Berliner Start-up das versucht Krankheitsbilder an Pflanzen mithilfe einer App zu erkennen.
Iring: Ich studiere Umwelt- und Energieprozesstechnik. Ich arbeite außerdem im Bereich der Strömungsmechanik am Lehrstuhl und setze mich dort mit Bilderkennung auseinander. Ich schreibe ebenfalls gerade meine Bachelorarbeit. Davor war ich einige Zeit in Uganda und habe dort im Bereich der Wasseraufbereitung sowohl studiert, als auch gearbeitet.
Was für Workshops gebt ihr im Sommercamp und wie ist es dazu gekommen?
Johannes: Ich habe eine Initiative gegründet die sich progressive Agrarwende nennt. Dort wollen wir zeigen, dass eine ökologische bzw. nachhaltige Landwirtschaft nicht unbedingt auf technologischen Fortschritt verzichten muss. Es gibt viele moderne Methoden, die dabei helfen können, nachhaltiger zu leben und Natur und Umwelt zu schützen. Ich wurde gefragt, ob ich dieses Thema nicht auch in einem Workshop behandeln könnte. Ablaufen wird es wahrscheinlich so, dass ich die Leute ein wenig in das Thema einführen werde und anschließend sollen sich die Teilnehmenden selbst mit dem Thema befassen und in Gruppen darüber diskutieren. Am Ende sollen die Ergebnisse dann mit allen geteilt werden. Ich bin normalerweise nicht so viel in der BUNDjugend tätig, sondern wurde jetzt speziell für das Sommercamp eingeladen einen Workshop zu machen.
Iring: Ich beziehe da fast so etwas, wie eine leichte Gegenposition, da ich durch meine Zeit in Uganda gemerkt habe, dass dieser Glaube an Technik für einige schon fast so etwas wie eine Religion ist, die nicht mehr hinterfragt wird. Dabei hat sich für mich gezeigt, dass technisierter nicht immer besser bedeutet. Den Workshop möchte ich nicht wirklich als Vortrag sondern als so genannte themenzentrierte Interaktion gestalten. Da gibt es bestimmte Methodiken wie Gruppen zusammenarbeiten können, die ich austesten wollte. Inhaltlich will ich mich damit befassen, ob z.B. Elektroautos wirklich so einen großen Vorteil gegenüber Fahrrädern bieten oder ob Wärmestrahlung in Gebäuden nicht viel sinnvoller als Wärmedämmung ist, bezogen auf die Ressourcen. Im Prinzip geht es darum, zu überlegen, ob simplere Methoden die gleichen Effekte erzielen können und wir Dinge verkomplizieren, bei denen es gar nicht unbedingt notwendig wäre. Ich wurde von Freunden angesprochen, ob ich nicht etwas vortragen könnte, da das Thema, mit dem ich mich beschäftige, gut in das Konzept des Camps passt.
Inwiefern hängt euer Studium mit dem Workshop zusammen? Konntet ihr Dinge aus dem Studium mitnehmen oder hat es euer Interesse an nachhaltigen Themen geweckt?
Iring: Umwelttechnik als Studeinfach klingt zwar nach Umwelt, aber leider geht es hier mehr um Dinge, wie beispielsweise Verbrennung effizienter funktioniert. Da geht es dann eher darum wie man Grenzwerte einhalten kann. Mein Workshopthema ist daher eher frei gewählt und intensiv damit beschäftigt habe ich mich vor allem in der Zeit in Uganda. Ich wollte mich mehr mit der Frage auseinandersetzen, ob es überhaupt notwendig ist, so viele technologische Dinge einzusetzen. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich nebenbei immer wieder Philosophiekurse belegt habe, in denen ich gelernt habe, sein eigenes Handeln stärker zu hinterfragen. Denn was bringt es mir, wenn ich einfach Dinge vor mich hin entwickle ohne zu hinterfragen, ob ich diese überhaupt brauche.
Johannes: Eine Frage, die mich während des Studiums schon länger beschäftigt hat, war, warum wir Dinge, die als natürlich gelten, direkt auch immer als nachhaltig bezeichnen. In meinen Augen ist das nämlich gar nicht immer der Fall. Im Gegenteil, unnatürliche Dinge können durchaus auch nachhaltiger als natürliche Alternativen sein. Die Ideale einer Umweltbewegung können aus meiner Sicht durchaus von vielen bioökonomischen und technologischen Konzepten bereits umgesetzt werden. Ich habe das Gefühl, dass dieser Bereich, obwohl er sehr viel für die Nachhaltigkeit tut, von vielen Leuten aus der Umweltszene nicht ernst genommen oder sogar verachtet wird. Deshalb läuft mein Workshop unter dem Motto „Natürlich oder Nachhaltig“. Es geht mir nicht darum, die Technik über alles zu stellen und sie als eine neuartige Religion zu erfassen, sondern von den technologischen Vorteilen, die wir nutzen können auch wirklich Gebrauch zu machen. Wir merken gerade heutzutage, dass nachhaltiges Handeln immer wichtiger wird. Ob das jetzt mit Hilfe moderner Technik geschieht oder mit Methoden die Großmutter schon vor 100 Jahren so angewandt hat, ist dabei egal.
Was erhofft ihr euch von den Workshops und nehmt ihr auch darüber hinaus weiter am Sommercamp teil?
Iring: Ich finde man lernt durch die Workshops selbst unglaublich viel. Mich interessiert es einfach wie andere Menschen über das Thema denken und es ist immer interessant neue Sichtweisen kennen zu lernen. Gleichzeitig finde ich die Idee mit der Gruppenarbeit sehr interessant. Ich hatte in der Schule häufiger nicht so tolle Gruppenerfahrungen und deshalb finde ich es super spannend jetzt in einer Gruppe zu arbeiten, in der alle motiviert sind und ein gemeinsames Ziel vor Augen haben. Ich war bereits letztes Jahr bei dem Camp dabei und werde dieses Jahr definitiv wieder versuchen einige Exkursionen und Vorträge mitzunehmen, aber da ich auch noch eine Klausur schreibe, werde ich wohl nicht die gesamte Zeit dabei sein können.
Johannes: Bei mir ist das ähnlich. Meinen Workshop gebe ich hauptsächlich, um der Umweltszene mal einen Anstoß zu geben über die Begriffe Natürlichkeit und Nachhaltigkeit im Zusammenhang nachzudenken, aber darüber hinaus werde ich natürlich auch am Camp teilnehmen, so gut es meine Zeit eben zulässt.
Danke Johannes und Iring für das Gespräch!