Not macht erfinderisch
„Als zu Beginn der Corona-Krise die internationalen Lieferketten zusammengebrochen sind und die Nachfrage nach Atemschutzmasken explodiert ist, konnte niemand so richtig voraussehen, wo die Reise hingeht“, erzählt Patrick Zerban, Hygieneingenieur vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Universitätsmedizin. Um am Corona-Virus erkrankte Patientinnen und Patienten jedoch ohne Risiko versorgen zu können, wurde eine große Menge an Schutzmasken benötigt. Was also tun?
Theoretisch gibt es verschiedene Aufbereitungsverfahren, um benutzte Masken wiederzuverwenden, zum Beispiel durch Erhitzen oder die sogenannte Plasmasterilisation bei welcher die Sterilisation durch Hochfrequenz- oder Mikrowelleninduzierte Plasmaentladungen erfolgt. Praktisch ist es jedoch so, dass keines dieser Verfahren erprobt ist und niemand kann sagen, ob die Masken nach der Aufbereitung immer noch ausreichend Schutz bieten. Die wiederaufbereiteten Schutzmasken mussten also auf den Prüfstand; ihre Funktionsfähigkeit getestet werden. „Wir wollten nur Wiederaufbereiten, wenn wir nachgewiesen haben, dass die Masken nach der Aufbereitung auch wieder die Schutzstufeerfüllen und bis dahin gab es noch keine verlässlichen Daten“, erzählt Patrick Zerban. Deswegen wendete er sich, zusammen mit Prof. Dr. Achim Kaasch und Prof. Dr. Gernot Geginat vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Universitätsmedizin, an die Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik. Am Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik wurde kurzerhand mit der Unterstützung von Dr.-Ing. Andreas Schlinkert und Prof. Dr. Berend van Wachem ein Versuchsstand zur Funktionstestung des in die Schutzmasken integrierten Ventils aufgebaut. Ziel war es, Informationen zur Funktion des Ventils der Atemschutzmasken nach erfolgter Dampfsterilisation zu gewinnen. Die Funktionsfähigkeit dieses Ventils ist nämlich ein Baustein zu einer Bewertung der möglichen Wiedereinsetzbarkeit der Masken. „Wir brauchten eine geeignete Einspannvorrichtung für das Ventil, die eine zerstörungsfreie Messung ermöglichen würde“, erklärt Ingenieur Schlinkert. Also wurde diese entworfen und in einem 3D-Drucker hergestellt.
Versuchsstand für die Testung der Masken (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
In dem Versuchsstand verglichen die Ingenieure schließlich die Ventile sowohl von neuen als auch von regenerierten Atemschutzmasken. Zeitaufwändig war vor allem die Konstruktion und Herstellung des Adapters. „Ein am Markt verfügbares Teil für diese Art von Messungen war uns nicht bekannt und letztlich hat sich der von uns konstruierte Adapter als sehr hilfreich erwiesen“, fügt der Verfahrenstechniker an. Nach der erfolgreichen Herstellung des Adapters konnten die Messungen losgehen. „Gemessen wurde der sogenannte Volumenstrom über das Ventil bei klar definierten Vordrücken. Dadurch wollten wir Informationen über die Funktion des Ventils bekommen“, erklärt Dr. Schlinkert. Geprüft wurde also, wie sich das Ventil öffnet und schließt sowie die Druckabhängigkeit des Ventildurchschlags, d.h. bei welchem Druck das Ventil „durchschlägt“, also ungewollt öffnet und den Luftstrom passieren lässt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass eine zweimalige Dampfsterilisation bei 121°C das Ausatemventil um ca. 30 Prozent schwächt. Das Ventil hält zwar immer noch einem normalen Atemzug stand, zeigt aber, dass das Maskenmaterial durch die Dampfsterilisation entscheidend nachlässt.
Der Adapter zum Einspannen wurde extra konstruiert und mit einem 3D-Drucker hergestellt (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
„Aufgrund der Daten von Dr. Schlinkert haben wir uns an ein Prüflabor in Dresden gewandt, das außerdem den Abscheidegrad des Filtermediums unserer wiederaufbereiteten FFP3-Masken gemessen hat. Die Ergebnisse aus Dresden zeigten, dass diese wiederaufbereiteten Masken nach einmaliger Dampfsterilisation bei 121°C nicht mehr die Schutzstufe erfüllen und auf FFP2-Niveau herabgestuft werden müssen. Grundsätzlich bieten auch FFP2-Masken einen Schutz vor dem Virus und werden vom RKI für eine Versorgung von SARS-COV2 positiven Patienten empfohlen. Für eine Exposition mit einer hohen Virusdosis sind die FFP3-Masken aber sicherer, weshalb das Universitätsklinikum festgelegt hat, dass für den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den COVID19 Behandlungsbereichen nur FFP3-Masken verwendet werden. Deshalb wäre eine solche Wiederaufbereitung für uns nur im äußersten Notfall als praktikabel anzusehen“, fasst der Hygieneingenieur zusammen. Bisher musste das Universitätsklinikum nicht auf eine Wiederaufbereitung der Schutzmasken zurückgreifen, die Liefersituation hat sich deutlich entspannt. „Damals herrschte jedoch eine große Unsicherheit und wir konnten, mit der Unterstützung durch Dr. Schlinkert, schnell eine Vorprüfung der aufbereiteten Masken durchführen und haben gesehen, dass die Masken sich bei der Aufbereitung verändern, das war in der damaligen Situation äußerst wichtig für uns. Aktuell arbeiten wir daran einen Prüfstand für nicht medizinischen Mund-Nasenschutz aufzubauen, um zum Beispiel die Funktionalität von selbst gefertigten im Vergleich von industriell gefertigten Schutzmasken zu bewerten. Dafür haben wir jetzt gemeinsam eine Anschubfinanzierung für die notwendige technische Ausrüstung beantragt“, freut sich Patrick Zerban.
von Lisa Baaske